4. Dezember – Schifahren

Farid hatte ich einmal beigebracht, wie man einen Erlagschein ausfüllt. Jetzt treffe ich ihn zufällig wieder in der Wohnung eines Freundes. Ich frage ihn, was er so macht und ob er einen Job hat. Er lacht und zeigt mir Fotos auf seinem Handy: Farid mit einer Gruppe von Jugendlichen beim Kanufahren, Farid beim Bogenschießen, Farid als Kinderbetreuer in einem Feriencamp. Ich nicke anerkennend. Das Beste kommt noch, sagt er und klickt auf ein Video: Farid wie er im Pflug auf Skiern eine Piste hinuntergleitet, dahinter vier Kinder, die ihm nachfahren. Jetzt staune ich wirklich und schmunzle. Irgendwie bin ich auch ein wenig stolz ihn persönlich zu kennen, den ersten afghanischen Schilehrer in Österreich.

Weil Menschen immer wieder überraschen können #WirHabenPlatz #KaraTepe 

 

3. Dezember – Freundschaften

Als Connect Mödling im September 2015 gegründet wurde, wussten wir nicht, wie viele Menschen zum Kick-off Meeting ins Mautswirtshaus kommen würden, vielleicht nur zehn, zwanzig? Sicher, die Aufmerksamkeit der Medien hatten wir auf unserer Seite. Eine Frau verteilte Folder in Geschäften, ihr Freund konzipierte die Website, alle sagten es weiter. Ich lebte mit meinem Mann und meinen Kindern seit über zehn Jahren in Mödling, wir waren neu zugezogen. Gespannt wartete ich im Veranstaltungsraum. Menschen strömten herein, es wurden immer mehr. Zusätzliche Stühle mussten geholt werden. Wir waren über hundert, ich kannte keinen, jetzt sind viele meine Freunde und Freundinnen geworden.

Weil wir viele sind, die helfen wollen #WirHabenPlatz #KaraTepe

2. Dezember – Spielen

Auf einem schmalen Schottergelände zwischen Autobahn und Bundesstraße wird ein Camp aus Containern für geflüchtete Menschen errichtet. Es gibt keine Busstation und keinen Supermarkt, keine Deutschkurse und keine Freizeitmöglichkeiten. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln lässt sich das Gelände nur schwer erreichen. Freiwillige aus der nächsten Stadt lassen sich nicht abbringen, die Menschen zu besuchen. Mein Vater ist einer von ihnen, er ist vierundachtzig, bringt Spielkarten und setzt sich zu ihnen an einen Tisch. Menschen aus Afghanistan, dem Iran und Syrien lernen Schnapsen und Canasta.

Weil es egal ist, wie alt du bist #courage #WirHabenPlatz #KaraTepe

1. Dezember – Gestern

Jeanette kommt zu mir, ich kenne sie nicht. Sie will sich nur kurz etwas abholen, aber dann kommt sie doch herein und erzählt. Ihr Sohn ist ein Schulfreund von Ahmed, jetzt ist seine afghanische Familie gekommen. Wochenlang sucht sie eine Wohnung in der Umgebung. Immer wieder bekommt sie fadenscheinige Absagen. Da trifft sie eine Entscheidung: Sie hat eine Firma und in den letzten Jahren einiges Geld gespart. Sie kauft selbst für die Familie eine Wohnung und vermietet sie günstig. Mir verschlägt es die Sprache, sie wirkt so unauffällig, eine Frau Mitten im Leben, Ende vierzig.

Weil es solche Menschen gibt #MutzurMenschlichkeit #WirHabenPlatz