In der Gemeinderatsitzung in Mödling wurde Ende September ein Antrag der Grünen zur Aufnahme von fünf Familien aus dem Flüchtlingslager in Moria mit den Stimmen der ÖVP und SPÖ zurückgestellt. Von SPÖ und ÖVP wurde ein allgemein gehaltener Antrag zu humanitärer Hilfe eingebracht und von den Grünen und NEOS unterstützt. Vor einigen Tagen wurde auch im Badener Gemeinderat ein Dringlichkeitsantrag zur Aufnahme von Kindern aus Griechenland vonseiten der SPÖ eingebracht und von ÖVP und FPÖ abgelehnt.
In anderen Städten gibt es aktuell ähnliche Entwicklungen, weil Gemeinden gerade in Hinblick auf die unmenschliche Situation in Moria zum Ausdruck bringen wollen, dass sie mit dem Nicht-Handeln der Bundesregierung nicht einverstanden sind. Parteipolitisches Kalkül und entsprechende Taktik verhindern oder verändern dann mitunter die Intensität des Anliegens, Menschen zu retten.
Politik ist in Österreich (anders als in anderen Ländern) meist durch Koalitionen geprägt, und die regierenden Parteien vereinbaren, sich auch in Angelegenheiten, bei denen sie anders denken, nicht zu überstimmen. Nur selten wagt jemand auszuscheren. Natürlich führen Maßnahmenvorschläge und politische Anträge in Gemeinde- und Nationalrat oft auch zu befruchtenden Debatten und einem nochmaligen Reflektieren und so letztendlich zu „besseren“, konsensualen Lösungen – wobei der tatsächliche Dialog, das ehrliche In-Kontakt-Gehen wohl viel eher in kleinerem, informellem Rahmen stattfindet. Umgekehrt können durch das Einbringen von (Dringlichkeits-)Anträgen der Opposition die Regierungsparteien in unangenehme Situationen gebracht werden. So wurde auf Ebene des Nationalrates Mitte September ein Antrag der NEOS zur Aufnahme von Kindern aus Moria von der SPÖ unterstützt, von ÖVP und den Grünen abgelehnt und ein Antrag der FPÖ betreffend die Nicht-Aufnahme von geflüchteten Menschen aus Moria von keiner Partei, auch nicht von der ÖVP, unterstützt.
Politik durch zivilgesellschaftliche Organisationen funktioniert anders: Die Zivilgesellschaft hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten des Öfteren bewiesen, wie schnell und unkompliziert gehandelt und großartige Leistungen für arme und geflüchtete Menschen erbracht werden können. Ideen werden rasch umgesetzt, Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft siegen vor Bürokratie und Taktik. Um auf die Not der in Moria gestrandeten Menschen aufmerksam zu machen, werden andere Formen und Wege genutzt: Aufrufe, Petitionen und Demonstrationen werden organisiert, persönliche Briefe geschrieben und vieles mehr.
Wir glauben, dass eine Demokratie beides braucht:
Zum einen politische Parteien, in denen sich Menschen engagieren und die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt werden, damit sich auf allen Ebenen: Bund, Ländern und Gemeinden – im Idealfall – den Wählenden entsprechende tragfähige Regierungen bilden können. Dass die Politikerinnen und Politiker dieser Parteien bei ihrer Arbeit auch mit den Oppositionsparteien und Vereinen der Zivilgesellschaft im guten Diskurs bleiben sollen, versteht sich von selbst, denn wir wissen, dass eine Demokratie auch daran gemessen werden kann, wie sie mit Minderheiten umgeht.
Zum anderen zivilgesellschaftliche Organisationen, in denen sich Menschen zusammenfinden, die sich für wichtige gesellschaftspolitische Anliegen einsetzen, Expertise aufbauen und meist sehr nah am realen Leben der Menschen operieren. Dadurch können sie Missstände aufzeigen, neue Gedanken in die gesellschaftliche Diskussion einbringen, Mut zum Reflektieren machen und innovative Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und leben.
Connect Mödling ist so eine zivilgesellschaftliche Organisation, in der sich Menschen zusammenfinden, die für dasselbe Anliegen brennen: Wir wollen geflüchteten Menschen helfen, hier gut anzukommen und sich einzuleben. Wir leisten aktive Nachbarschaftshilfe, begleiten Frauen, Männer und Kinder bei Behördenwegen und im Alltag. Längst haben sich, weil wir nun schon fünf Jahre bestehen, viele Beziehungen entwickelt, die uns – wie die meisten Beziehungen – gleichzeitig herausfordern und bereichern.
Bei uns engagieren sich oft Menschen, die gleichzeitig einer politischen Partei angehören, wobei es selbstverständlich ist, dass damit sensibel und verantwortungsvoll umzugehen ist. Manche machen ihr Engagement transparent und tragen es nach außen, andere wollen ihre Hilfeleistungen – auch in Hinblick auf ihre politische Parteizugehörigkeit – lieber nicht an die große Glocke hängen. Letztendlich muss jeder Mensch für sich entscheiden, in welcher Form er/sie sich in der Gemeinschaft, in der er/sie lebt einbringen möchte: parteipolitisch und/oder zivilgesellschaftlich, leise und/oder laut, im Freundeskreis und/oder in den sozialen Medien, etc.
Natürlich zeigen auch politische Parteien, deren Inhalte unserem Vereinszweck naheliegen, Interesse für unsere Anliegen und unterstützen uns – im Sinne der Unabhängigkeit ist es jedoch wichtig, dass unser Verein nicht von einer politischen Partei vereinnahmt wird. Als lokale zivilgesellschaftliche Organisation agieren wir unabhängig von den Strategien politischer Parteien. Unsere Instrumente sind nicht politische Anträge im Gemeinde- oder Nationalrat, sondern umfassen andere Handlungsmöglichkeiten. Diese sind vielfältig und kreativ, und da es sich um ehrenamtliches Engagement handelt höchst variabel aufgrund eigener (zeitlicher und finanzieller) Ressourcen, persönlicher Kräfte und Fähigkeiten. Wir bestehen aus Mitgliedern, die sehr verschiedene Meinungen haben, gleichzeitig jedoch das Anliegen von Connect Mödling als gemeinsamen Nenner teilen. Wichtig scheint mir daher vor allem, das Gemeinsame, das Verbindende als stärkendes Element in den Vordergrund zu stellen, und nicht das Trennende, wie zum Beispiel die Zugehörigkeit zu verschiedenen politischen Parteien oder unterschiedliche strategische Ansichten zu politischen Anträgen.
Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Begleitung von geflüchteten Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung. Zu aktuellen, die Anliegen des Vereins betreffenden Fragestellungen nehmen wir gleichzeitig immer wieder Stellung und vernetzen uns mit anderen Organisationen und Plattformen, wie zum Beispiel der Asylkoordination oder Menschen.Würde.Österreich, da zivilgesellschaftliche Anliegen wirksamer im Verbund mit anderen und auf einer höher aggregierten Ebene vorgebracht werden können.
In Hinblick auf die aktuelle Lage der geflüchteten Menschen, die in Griechenland ein menschenunwürdiges Dasein fristen müssen, weil sie von den meisten Ländern der Europäischen Union im Stich gelassen werden, haben wir uns selbstverständlich klar positioniert: Natürlich finden auch wir wie so viele andere: Wir haben Platz! Österreich sollte einen Teil dieser Menschen aufnehmen, und auch wir in Mödling sind bereit zu helfen.
Als Vorsitzende des Vereins Connect Mödling möchte ich abschließend an alle politischen Parteien und auch an die Mitglieder unseres Vereins appellieren: Stellen wir das Gemeinsame, das Anliegen, das uns verbindet in den Mittelpunkt, bleiben wir in wertschätzendem Kontakt – auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, wie Ziele am besten erreicht werden können. Gerade deshalb ist es ja nicht verboten, sich in verschiedenen Foren, Vereinen und Parteien zu engagieren. Diese Vorgangsweise scheint mir der Sache am meisten dienlich.
Und persönlich möchte ich mehr denn je jeden und jede dazu einladen, sich zum Umgang mit Geflüchteten bei uns im Ort, im Land Niederösterreich, im Staat und auch in der Europäischen Union – unabhängig von Parteipolitik – eine Meinung zu bilden, diese zu reflektieren und für sich selbst zu überlegen: Wie würde ich gerne behandelt werden, wenn in meinem Land Krieg und Terror herrscht und ich in einem fremden Land von Null beginnen müsste?
Veronika Haschka
Vorsitzende