„Wir haben Platz!“ Kundgebung für die Aufnahme von Menschen aus Moria am 7. 11. 2020 in Mödling

Zahlreiche Mödlingerinnen und Mödlinger kamen am Samstag zur Kundgebung der Initative „Zusammenhalt NÖ“. Symbolisch für die Menschen, die wir aus Moria aufnehmen können, standen Schuhe am Schrannenplatz. Unsere Vereinsvorsitzende, Veronika Haschka, fand in ihrer Rede eindringliche Worte.

Fünf Gründe warum ich der Meinung bin, dass wir unbedingt Menschen aus Moria aufnehmen müssen:


  1. Weil ich es in meinem innersten Herzen fühle.

Ich weiß für mich, dass ich dieses Unrecht nicht richtig finde. Ich lasse mich nicht verunsichern durch Sätze wie „das wäre ja ein Pull-Faktor, dann würden noch mehr kommen“ oder „wir haben schon so viele aufgenommen“. Das prallt an mir ab. In meinem Herzen fühle ich es ganz deutlich, es ist einfach richtig, diese Menschen aufzunehmen, die in Griechenland, zwei Flugstunden von uns entfernt in Europa, im Schlamm hausen, in der Kälte in Zelten schlafen müssen, kein Trinkwasser, zu wenig zu essen und keine medizinische Versorgung haben, wo Kinder nicht in die Schule gehen können, nicht Kind sein können – es fühlt sich einfach richtig an, diese Menschen, die in Europa gestrandet sind, aufzunehmen und einen Teil von ihnen auch nach Österreich zu bringen, wo wir all das in ausreichender Menge haben.


  1. Weil wir genug Raum haben:

Raum zum Wohnen. Raum zum Leben. Quartiere und Wohnungen stehen leer – auch hier in NÖ, im Bezirk Mödling, im Quartier in der Jägerhausgasse kamen bis vor kurzem mehr als 100 Menschen unter, in St. Gabriel steht ein Gebäude leer. Natürlich haben wir genug Wohnraum!


  1. Weil es genug Menschen bei uns gibt, die diese geflüchteten Männer, Frauen und Kinder begleiten.

Wir haben schon bewiesen, dass wir das können und dass wir das nachhaltig tun. Connect Mödling ist vor fünf Jahren gegründet worden, wir haben Menschen begleitet und begleiten sie nach wie vor – wir bleiben an ihrer Seite, schon fünf Jahre lang. Wir gehen mit ihnen zum Arzt, wir unterstützen sie bei Behördenwegen, helfen bei der Arbeitssuche und vielem mehr. – An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die dies tun.


  1. Weil es meinen Werten entspricht

 – und es entspricht ja auch den Werten der Europäischen Union und Österreichs, zumindest jenen, die wir proklamieren. Die Werte, die ich meine, das sind unter anderem: Menschenrechte, Menschenwürde, Humanität, das ist das, woran ich glaube und was ich leben möchte. Die Europäische Union hat vor einigen Jahren den Friedensnobelpreis bekommen – ich glaube, sie ist es nur wert ihn bekommen zu haben, wenn sie jetzt nach ihren Werten handelt. Aber wie auch immer andere Politiker in der Europäischen Union oder in Österreich denken mögen – meine Werte sind unvereinbar damit, dass Menschen in Moria dahinvegetieren, dass sie in der Europäischen Union so sehr leiden müssen.


  1. Weil ich glaube, dass wir am besten lernen, wenn wir mit Menschen in Kontakt gehen.

Ich habe in St. Gabriel und in Mödling geflüchtete Burschen und Familien kennengelernt, und durch den direkten Kontakt mit ihnen konnte ich Dinge kapieren, die ich vorher nicht verstanden habe. Es ist etwas anderes, wenn du in der Zeitung oder im Internet liest, dass Menschen zu wenig zu essen haben und verfolgt werden – als wenn du eine Beziehung zu jemandem hast, der dir von Angesicht zu Angesicht erzählt, wie es ist, im Krieg zu leben. Ich habe durch den direkten Kontakt besser verstanden, dass es ein und dieselbe Welt ist, auf der wir gemeinsam wohnen, wenn mir z.B. der Bursche, den ich betreue, erzählt: „In den ersten Tagen, in St. Gabriel, da bin ich öfters in der Nacht duschen gegangen, ich habe so lange kein heißes Wasser gehabt, es ist so unglaublich für mich jetzt hier duschen zu können.“
In Wirklichkeit sind wir durch die Globalisierung zusammen gewachsen – durch die Bilder im Internet, die Kleider, die Produkte, die wir kaufen, und vieles mehr. Wenn ich aber einem Menschen gegenübersitze, dann kann ich mich „seinen Lebenswelten besser annähern“ – wie es Barbara Kreuzer von Connect Mödling ausgedrückt hat: Für uns sind Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak zu Freunden, Nachbarn und Mitbürgern geworden, die wir wertschätzen. Diese Länder sind für uns nicht mehr „weit weg“ – wir sind zusammengerückt.

 

Das sind die 5 Gründe, warum ich überzeugt bin, dass wir Menschen aus Moria aufnehmen müssen. Ich bin überzeugt, die Mehrheit in Österreich denkt ähnlich. Ich danke euch für euer Kommen – und wenn einige von euch denken, wir sind nicht so viele, dann sage ich: Wenn wir 50 sind in einer Kleinstadt wie Mödling, dann ist es in Wirklichkeit so, wie wenn in Wien 5.000 Menschen zusammenkommen – in Relation zur Einwohnerzahl. Viele mussten heute zuhause geblieben aufgrund von Corona.

Ich wünsche allen, auch wenn die Partei, die ihr wählt vielleicht anders denkt oder in eurem Bekanntenkreis Menschen anders denken, dass ihr auf euer Herz hören könnt.

Danke!